Titelseite

Eva Male


Hilfe, ich werde geholfen!

Neue Sprachspaltereien von
Auskontern bis Zutexten



Mit einem Vorwort von Christian Ultsch






Amalthea

Vorwort

Zeitlos schön. So nennt das Journalistenvolk liebevoll Texte, die nicht unbedingt aktuell in der Zeitung stehen müssen, weil sie auch über den Tag hinaus gültig sind. Eva Males Sprachspaltereien gehören in diese seltene Gattung. Sie haben die Zeit überdauert. Sie sind zeitlos schön.

Im vorliegenden Buch sind in chronologischer Reihenfolge Kolumnen gesammelt, die zwischen 2007 und 2014 im Spectrum, der Wochenendbeilage der Presse, abgedruckt waren; eine Fortsetzung ihrer ersten Kolumnensammlung Wenn uns die Fälle davonschwimmen , die 2007 im Amalthea Verlag herausgekommen ist. Sprachspalterin für die Presse war Eva Male seit 1998.

Das vorliegende Buch erscheint posthum. Eva Male ist am 30. November 2014 im Alter von 49 Jahren verstorben. Wer ihre Sprachspaltereien liest, kann Eva Male wieder hören und spüren: ihre Josefstädter Sprachmelodie, ihre heitere Verspieltheit, ihren funkelnden Esprit, ihre unangestrengte Aufmerksamkeit und ihre nachsichtige Güte. Eva Male war keine strenge Sprachrichterin, keine Spötterin. Ihr Zeigefinger war nie erhoben. Ihre Kritik an sprachlichen Ungereimtheiten trug sie stets mit Humor vor. Unermüdlich wie ein Spracheichhörnchen sammelte sie kleine missratene Kostbarkeiten für ihre Kolumne: im Supermarkt, beim Bäcker, im Restaurant, bei der Lektüre von Werbeprospekten, Agenturmeldungen oder Zeitungsbeiträgen, beim Fernsehen, bei ihren Spaziergängen durch Wien und Berlin, wo sie von 2008 bis 2011 Korrespondentin der Presse war, und zuletzt auch während ihres Aufenthalts im Allgemeinen Krankenhaus. Die »SelbstkommerInnen« im AKH-Formular wollte sie ebenso wenig unkommentiert lassen wie das »Antragsleiden« der Pensionsversicherungsanstalt.

Eva Male hielt immer Ohren und Augen offen, um eine ihrer großen Lieben zu pflegen: die Sprache. Daraus ist zeitlose Schönheit entstanden.

Wien, im November 2015

Christian Ultsch

Christian Ultsch ist Ressortleiter Außenpolitik der Tageszeitung Die Presse sowie redaktioneller Leiter der Presse am Sonntag.

In der Fälle-Falle

»Widerrechtliches Parken wird mit Besitzstörung geahndet.« So steht es auf einer Hauseinfahrt in Graz geschrieben. Nun, von widerrechtlichem Parken ist ja an sich abzuraten, aber »Besitzstörung« erscheint als Bestrafung doch etwas unverhältnismäßig. Will man in die Wohnung des Falschparkers einbrechen oder über seinen frisch gesäten Rasen trampeln? Das geht denn doch wirklich zu weit! Gemeint war eine Besitzstörungsklage.

»Der 18-Jährige, der ohne Rollstuhl keinen Schritt machen kann …«, schreibt die Krone. Das klingt – wohl unbeabsichtigt – zynisch: Der Arme sitzt ja gerade deswegen im Rollstuhl, weil er keinen Schritt machen kann.

Immer wieder schwer fällt der Genitiv; das S wird wohl in 50 Jahren verschwunden sein, aber so weit sind wir noch nicht. Beispiele: ein Viertel des heimischen Handelsumsatz; die Direktorin des Technik-Museum; ein Leiter des Wohlfahrtsausschuss.

Auch andere Fallfehler sind nicht selten: »für die Strabag, Österreichs größtem Baukonzern«; »an südliche Ländern werden wir nie herankommen«; »feiert man ihn als eine Art Säulenheiliger«; »da ist die Rede von der Besitzerklasse und der Rechte der Massen«; »entgegen der gesetzlichen Regelungen«; »entgegen aller Beteuerungen«; »die Ausgabe von Naisbitts neuesten Werks«; »mit einem erstaunlich großem Privatvermögen«. Alles aus der Presse übrigens.

Wunschen verboten!

In Vorarlberg schneit es heftig, obwohl – zumindest laut Kalender – schon bald der Sommer beginnen sollte. »Solche Bilder hätten wir uns im Winter gern gewunschen«, kommentiert der ORF-Wetterfrosch. Dazu ist zweierlei zu sagen: Das Partizip »gewunschen« erfreut sich zwar im Volksmund großer Beliebtheit, ist aber streng grammatikalisch nicht existent. Dieses Wissen hätten wir uns auch vom Wetterfrosch gewünscht!

Und dann »gern«. Wünschen oder nicht wünschen – aber gern wünschen? Wer wünscht sich schon ungern etwas? Wünschen kann man sich alles, pflegte mein Vater zu sagen. Unausgesprochener Nachsatz: Ob man es bekommt, ist eine andere Frage. Besonders natürlich beim Wetter!

»Positive Entwicklung in der Phasing-Out-Periode absichern«, fordert ein burgenländischer Politiker per Presseaussendung. Es dürfte um EU-Belange gehen – so weit kann der Laie folgen. Aber das war’s dann auch schon wieder. Phasing-Out-Periode? Eine solche möchten wir uns vor allem für eventuelles Schlechtwetter gewunschen haben!

Sagten wir schon, dass zu viel Englisch nicht immer bekömmlich ist? »Wir haben uns gematcht. Wir haben ganz schön gefightet«, schnaufte eine Marathonläuferin unmittelbar nach dem Run. Wäre ja schön, wenn es im Deutschen für Kämpfe und Kriege keine Wörter gäbe. Ist aber Wunschdenken!

Wie gelehrt muss ein Pool sein?

»Zuvor war der Pool gelehrt worden.« Auch eine Sprachspalterin kann einmal etwas übersehen. Da hatte der Korrespondent leeren und lehren verwechselt, und weder Redakteurin noch Korrektorin haben es entdeckt. Bitte um Nachsicht! Allen Beteiligten ist der Unterschied natürlich bewusst – und mit dem Lehren des Pools ein Volltreffer gelungen. Was könnte man einen Pool schon lehren? Sich sauber zu präsentieren?

Ich schicke diese Zeilen von einer Urlaubswoche in Kroatien und kann Ihnen versichern: Der hiesige Pool ist perfekt. Da besteht absolut kein Lehr- oder Lernbedarf. Gleiches gilt fürs Meer – was mich an einen touristischen Werbespruch von früher erinnert: »Der Natur brauchst nix lernen!« Wobei hier lehren und lernen, nicht lehren und leeren verwechselt wurde. Es ist dies ein beliebter Fehler: Ich lerne dir etwas. Ich kann dir jedoch nur etwas beibringen oder dich etwas lehren. Lernen musst du selber.

Schon oft in den Sprachspaltereien aufgegriffen, aber eine leider auch in der Presse sich ausbreitende sprachliche Seuche ist das Komma nach Subjekten: In Unkenntnis der Beistrichregeln und aus Angst, einen Beistrich zu versäumen, setzt man ihn dort, wo er absolut nichts verloren hat. Zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit: »Etwa 2,3 Mrd. Dollar davon, wurden verpulvert.« – »Ein weiteres Todesopfer, konnte allerdings nicht verhindert werden.« Auch viele Fehler, können leider nicht aus der Welt geschafft werden …

Überfahren, überführt!

»Italiens First Lady vor dem Quirinal überfahren«, titelte einst die österreichische Presseagentur. Um Gottes willen, die arme Frau, der arme Witwer! Aber nein: »Ihr Zustand ist nicht Besorgnis erregend«, hieß es weiter. Entwarnung! In Wirklichkeit war Clio Napolitano angefahren worden, nicht überfahren. Wenn nämlich Letzteres passiert, ist das Opfer meistens tot. Falls sich der Unfall im Ausland ereignet, wird in der Folge der Leichnam in die Heimat des Überfahrenen überführt. Entschuldigen Sie bitte diese morbiden Überlegungen zur Urlaubszeit.

Auch überführt und überfahren werden oft verwechselt. Häufig liest man, dass jemand von einem Auto überführt wurde (statt überfahren). Wir hoffen vielmehr, dass die Täter ihres Verbrechens bald überführt und zur Verantwortung gezogen werden!

Es gibt auch andere Unglücksfälle: »Chinese beißt Hund tot.« Da hat doch der Chinese sich glatt aus Liebe zu einem Welpen todesmutig auf einen angreifenden Hund gestürzt und diesen mit einem Biss in den Hals getötet. Eine brutale Welt! Das dachte ich mir auch, als eine Kollegin vom »Pfadfindergrillen« in Perchtoldsdorf erzählte. Werden da die Pfadfinder von beiden Seiten scharf angebraten? Kannibalisch scheint es auch in Pötzleinsdorf zuzugehen. Auf einem Schild in einer Wohnhausanlage heißt es: »Die Müllentsorgung von anlagefremden Personen ist verboten und wird ausnahmslos zur Anzeige gebracht.« Wer innerhalb des Gürtels bleibt, scheint jedenfalls sicher.

Strich, gedankenlos

Mit der Interpunktion kann man es übertreiben. Zu viele Gedankenstriche, Strichpunkte, Beistriche, Klammern und vor allem Anführungszeichen, wo sie gar nicht notwendig sind. Schon Kurt Tucholsky hat sich daran gestoßen, dass Texte häufig mit allzu vielen Satzzeichen gewürzt sind.

Manchmal kann jedoch auch deren Absenz störend, ja sinnstörend sein. »Einwanderungsminister wird in Schubhaft genommen«, schrieb die Nachrichtenagentur als Untertitel zur Hauptinformation: »Terrorverdächtiger in Australien bleibt doch in Haft.« Wer also ist nun in Haft? Selbstverständlich der Terrorverdächtige. Der Einwanderungsminister hatte bloß darüber informiert, dass jener in Schubhaft komme, was, kurz gefasst, korrekt so ausgesehen hätte: »Terrorverdächtiger … bleibt doch in Haft. Einwanderungsminister: Wird in Schubhaft genommen.« Ohne den Doppelpunkt freilich wähnt der Leser den Einwanderungsminister im Gefängnis.

In ein Luxushotel sollen unterdessen Geburtstagskinder gelockt werden. »Besuchen Sie uns im Monat oder des Folgemonats Ihres Geburtstags für drei Tage, und wir ziehen Ihnen die Anzahl Ihrer Lebensjahre von der Rechnung in Euro ab«, heißt es im Einladungsbrief. Leider habe ich weder in meinem Geburtstagsmonat noch im Folgemonat (!) Zeit. Schade, denn ich bin nicht mehr die Jüngste und würde mir schon einiges ersparen: »Ihre Lebensjahre – sollen Sie belohnen!« Wozu allerdings der Gedankenstrich dienen soll, das ist die Frage, siehe eingangs.

Untreue, extrascharf

»Untreue erhält seine scharfe Kontur nur über das Moment der Wissentlichkeit.« Diesen denkwürdigen Satz soll einer der Verteidiger im Bawag-Prozess formuliert haben. Denkwürdig? Jedenfalls muss man nachdenken, um ihn zu verstehen. Abgesehen davon: merkwürdig, geschwollen. Und nicht zuletzt: falsch. Denn die Untreue ist weiblich, müsste also ihre scharfe Kontur erhalten. Inhaltlich sollen Rechtsexperten über die Richtigkeit entscheiden. Wir dachten ja immer, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt.

Szenenwechsel: HAPPY PARKING wünscht auf dem Wiener Flughafen der Automat beim Einfahrtsschranken zum Parkplatz. So zeigt es das Display in Blockbuchstaben an. Also bitte, natürlich ist man froh, in all dem Trubel einen Parkplatz gefunden zu haben. Für mindestens 3,40 Euro sind Sie in Wien-Schwechat dabei. Aber fröhlich, glücklich und zufrieden stimmt uns das Parkvergnügen denn doch nicht. Ähnlich wie etwa Zähneputzen oder Postausheben.

»Weckerl etc. werden in ganz Europa verschickt«, vermeldete die Presse. Eine Leserin wunderte sich – zu Recht –, dass da ein einzelnes Weckerl unterwegs sein soll. Freilich ließ schon das »werden« auf den Plural schließen. Im Sinne der Brotvermehrung kann man es nicht oft genug sagen: Die Mehrzahl der Verkleinerungsformen auf -erl hat ein N. Semmerln, Weckerln, Knöderln et cetera. Eben alles, was gut schmeckt und dick macht.

Urne oder Aschenbecher?

Sprachliche Reste aus dem Urlaub: Wussten Sie, was ein Sozi ist? Nein, es ist nicht so, wie Sie denken – oder zumindest nicht nur so, dass damit etwas abfällig ein Sozialist bezeichnet wird. Vielmehr kam uns der – eigentlich das – Sozi diesmal als Abkürzung des Kellners auf seinem Bestellblock unter: für Soda Zitron.

Oder der Altarm: liest sich nicht so flüssig, wie es inhaltlich naheläge. Naturfremde stolpern über den Alt-Arm eines Flusses und denken stattdessen an ein Adjektiv: das Gegenteil von neureich.

Wortspielereien wie diese finden Sie in dem Sprachbilderbuch Muss man Miezen siezen? von Gerda Anger-Schmidt und Renate Habinger, das der Sprachspalterin zufällig in die Hände fiel. Äußerst empfehlenswert.

Lustig ist – wie immer – auch das Deutsch von Ausländern. Wenn etwa ein chinesischer Reiseleiter, der an sich blendend Deutsch spricht, Unterwäsche mit Innereien verwechselt. Man könne Letztere im Hotel abgeben und waschen lassen, informiert er die Reisenden. Und als er von der Feuerbestattung spricht, fällt ihm das Wort Urne nicht ein. Da diese im Chinesischen wörtlich Knochenaschenkiste heißt, greift der Reiseleiter verbal auf den Aschenbecher zurück (für uns heißt umgekehrt der Aschenbecher künftig Urne).

Der Hai und seine Flossensuppe

Irgendwann habe ich aufgehört mitzuzählen. So oft kam in einem der jüngsten Mittagsjournale im Radio das Wörtchen »bislang« vor! Kein einziges Mal bedienten sich die Berichterstatter des in Österreich üblichen »bisher«. Nun muss man ja nicht militant gegen den Gebrauch deutscher und für die Bewahrung österreichischer Ausdrücke kämpfen, aber woher die plötzliche Begeisterung für »bislang« kommt, ist schleierhaft. Sind wir doch bislang bestens mit »bisher« ausgekommen.

»Use bottom cushion for flotation«, lautet die Anweisung in einem Flugzeug der Air China. Unsereins hat da natürlich gerätselt, was damit gemeint ist. Der angenommene Notfall ist zum Glück nicht eingetreten. Außer Turbu- und Flatulenzen nichts gewesen.

Gutes Benehmen gefragt. In tibetischen Klöstern gelten für die Besucher strenge Regeln. Kein Fotografieren, kein Lärm et cetera. Das meiste versteht sich von selbst, aber manchmal werden die Benimmregeln eigens plakatiert: »Do not smoke. drink alocohol«, heißt es etwa im Kloster von Lakhang. Was freilich missverständlich ist. Nicht rauchen, dafür aber Alkohol trinken? Aufgrund des Punkts kann man die Anweisung absichtlich falsch deuten. Ein Beistrich wäre eindeutig gewesen.

Leicht irreführend auch folgende Überschrift aus der Süddeutschen Zeitung: »Haiflossensuppe bedroht Haie«. Bedrohen dann etwa auch Fischstäbchen Fische und Froschschenkel Frösche?

Zwischen Buxe und Bidet

»Das reißt mir kein Loch ins Bidet«, sagt ein spendabler Bekannter immer, wenn er eine Runde ausgibt. Natürlich meint er das Budget, und obwohl der Witz nun wahrlich nicht mehr neu ist, müssen wir jedes Mal wieder herzlich lachen. Wenn wir einander dann zuprosten, heißt es für gewöhnlich: A votre sanitaire! Statt santé. Jeder Installateur hätte – zumindest sprachlich – seine helle Freude mit uns. Wobei man bekanntlich aufpassen muss, sich absichtliche Verballhornungen nicht allzu sehr anzugewöhnen. Sonst vergisst man irgendwann, wie es richtig heißt. Die Verballhornung leitet sich übrigens laut Duden vom Lübecker Buchdrucker Johann Ballhorn ab. Jede solche bietet der Sprachspalterin natürlich eine neue Gelegenheit, das Verbalhorn ertönen zu lassen und den Sprachsündern für ihre Missetaten Strafzettel zu geben.

Zum Beispiel für folgende Pressemeldung: »Einer der bekanntesten Stuntmans Frankreichs ist wegen des tödlichen Ausgangs eines Autosprungs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.« Männer in der Mehrzahl sind im Englischen immer noch men. Also auch Stuntmen. Was allerdings auch die Sprachspalterin bisher nicht wusste: dass man »ausbüxen« tatsächlich mit X schreibt. Gefühlsmäßig würde man es ja eher wie die Büchse schreiben und an ein Tier denken, das vor dem Gewehrlauf des Jägers flieht. Der Kluge verweist auf Buxe = Hose, buxe aus buckhose, Hose aus Bocksleder. »Ob auch ausbüxen hierhergehört, ist unklar.« Ein Bangbüx ist jedenfalls ein Angsthase, eigentlich Angsthose, weil sich vor allem dort die Angst bemerkbar macht.

Norwegen, inkontinent

»Uwe K. wurde am Dienstag zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt«, schreibt die Nachrichtenagentur. Man möchte ja gern an ein Leben nach dem Tod glauben, aber die Vorstellung, nach dem Hinscheiden in Sicherheitsverwahrung genommen zu werden, ist denn doch etwas sonderbar. Nicht sehr glücklich werden auch jene Männer sein, über welche die Wiener Zeitung im Zusammenhang mit Hormonersatz-Therapie Folgendes schreibt: »Auch junge Leute gehören etwa bei einem Ausfall der Hodenfunktion substituiert.« Wodurch, bitte, will man die Armen ersetzen?

Das Leben ist hart. Nicht einmal anbandeln darf man mehr überall. »Aufreißübungen sind am gesamten Landeplatz untersagt.« So steht es in Altaussee angeschrieben. Aber keine Bange! Bei der Kundmachung auf dem Paragleiterplatz dürfte es sich um einen Terminus technicus handeln. Anhänger der Devise »No sports« können sich weiterhin getrost als »Aufreißer« im klassischen Sinn betätigen. Sogar auf dem Landeplatz in Altaussee.

Szenenwechsel nach New York: »Millionen Kilometer Leitungen und Kabel und Rohre schlängeln sich durch jeden Quadratmeter der Städte«, schrieb die Süddeutsche Zeitung nach der Explosion einer Dampfrohrleitung in Manhattan. Vermesser müsste man sein!

Probleme gibt es nicht nur mit Dampf, sondern auch mit Wasser: »Norwegen will Wasser halten.« Dieser Titel lässt weniger an Umweltökonomie als an Inkontinenz denken. Aber wir wollen das Land deswegen nicht gleich substituieren.

Musterbriefe, streng persönlich

Der Verlag Langenscheidt bringt seit einigen Jahren regelmäßig kleine Bücher heraus, welche die Sprache bestimmter Gruppen verständlicher machen sollen. Arzt – Deutsch etwa (und umgekehrt: Deutsch – Arzt), oder Fußball – Deutsch, Chef – Deutsch, Frau – Deutsch et cetera. Viele dieser Lexika sind leider eher halbwitzig ausgefallen. Eine Ausgabe jedoch, Politiker-Deutsch, enthält durchaus Amüsantes und Wahres.

Gerade die Sprache der Politiker verdient es ja, einmal genauer unter die Lupe genommen zu werden. Wenn ein Politiker zum Beispiel sagt: »Ich werde mich persönlich um Ihr Anliegen kümmern«, dann meint er in Wirklichkeit: »Mein Referent verfügt über eine hervorragende Sammlung von Musterbriefen.« Oder: »Wir müssen die Menschen dort abholen, wo sie sind.« Das heißt übersetzt: »Freiwillig kommt ja keiner mehr.« Die Aufforderung »Ein Ruck muss durch das Land gehen« wiederum darf man so verstehen: »Jetzt reißt euch alle einmal ein bisschen zusammen!«

Da werden hohle Floskeln aufs Korn genommen und gängige Sprüche auf ihren Gehalt abgeklopft. Durchaus zu empfehlen, obwohl leider – wie so oft – ganz auf deutsche Politiker ausgerichtet. Aber sehr viel anders sind unsere ja auch nicht …

Tot telefonieren, aber richtig

»Jeder 2. Tote im Auto fuhr ohne Sicherheitsgurt«: Dieser Titel in der Kronen Zeitung sprang mehreren aufmerksamen Lesern ins Auge, die ihn an die Sprachspalterin weiterleiteten. »Viele sind zu sorglos«, lautete die Überzeile. Auch sprachlich, möchte man ergänzen. Jedenfalls wirft die Formulierung eine Reihe von Fragen auf:

Wie viele Tote fuhren in dem Auto?

Tote haben nichts mehr zu befürchten, warum sollten sie daher einen Sicherheitsgurt anlegen?

Machen sich Tote, die ohne Sicherheitsgurt Auto fahren, strafbar? Sollen Tote auf das Lenken eines Autos freiwillig verzichten?

Wie viele Tote telefonieren während des Autofahrens ohne Freisprecheinrichtung?

Makaber das alles, aber wahr.

Auch der Kurier ließ sich einmal einen lustigen Titel einfallen: »Tschad: Fast alle Kinder haben Eltern«. Wer die Hintergründe nicht kennt, würde zu behaupten wagen, dass – nicht nur im Tschad – alle Kinder Eltern haben. Zumindest zu Beginn. Das liegt in der Natur der Sache.

Um den Titel zu verstehen, braucht man schon nähere Informationen: Es ging um 103 Kinder, die eine französische Hilfsorganisation vor einigen Jahren aus dem Tschad nach Frankreich bringen wollte, mit der Behauptung, es handle sich um Waisen aus Darfur. In Wirklichkeit hatten fast alle der Kinder im Tschad Eltern.

Autos an der Wäscheleine

»Die Dauerparkkarte ist berührungslos an den Kartenschlitz zu halten und nicht hineinzustecken!« Verzeihen Sie mir, liebe Leser, wenn ich zu schlüpfrig denke, aber diese Aufschrift in unserem Mietauto hat mich denn doch zu zweideutigen Assoziationen veranlasst. Wozu dann eigentlich ein Schlitz, wenn man die Karte nicht einführen soll? Auch die Wortprägung »berührungslos« kann man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Von der »Autobahn, die Fahrer gerne hängen lässt« berichtet unterdessen – im Zusammenhang mit dem Schneechaos – die Presse. Auch bei dieser Formulierung ist man geneigt, in Bildern zu denken. An Autos, die etwa von einer Wäscheleine oder von einem Galgen hängen. Aber von einer Autobahn? Das mutet ein wenig seltsam an. Man stelle sich vor, wir hätten die Dauerparkkarte falsch gehandhabt und wären dann noch von der Autobahn hängen gelassen worden.

Schuld an allem war ja der Schnee. »Die weitverbreitetsten Schnee-Irrtümer« wurden in der Presse aufgelistet. Hierbei handelt es sich leider um einen weit verbreiteten Sprach-Irrtum. Nicht das Partizip gehört gesteigert, sondern das Adjektiv, also »weitestverbreiteten«, »am weitesten verbreitet«, »am meisten verbreitet«.

Weihnachten, zum Weinen

Deutsch von Nicht-Muttersprachlern kann sehr kreativ sein. Wenn man gestrenge mit dem Rotstift unterwegs ist, muss man die originellen Wortschöpfungen oder Satzkonstruktionen natürlich korrigieren; als lockere Sprachspalterin respektive -beobachterin kann man sie indes genießen. Zum Beispiel folgenden Satz eines erwachsenen Deutschschülers: »Viele Frauen bekommen heute nur ein Kind, weil sie ihre Leber genießen wollen.« Nicht nur sprachlich interessant, sondern auch inhaltlich: Eine Frau, die nur ein Kind hat und somit zu Hause weniger »angebunden« ist, hat öfter und intensiver Gelegenheit, etwas trinken zu gehen. Egotrip, eh klar. Die bösen Frauen!

Die befreundete Deutschlehrerin möge mir verzeihen: Aber ich konnte nicht anders, als die Leber in dieser Kolumne zu verbraten.

Apropos verbraten: In einem Rezept für Weihnachtskarpfen wird als Zutat »eine Hälfte einer halbierten Zwiebel« angegeben. Warum nicht gleich eine viertel Zwiebel? Zwiebelschneiden ist zweifellos eine schwierige Angelegenheit, aber warum soll man sie noch weiter verkomplizieren? Sind über Zwiebeln nicht schon genug Tränen vergossen worden? Ich für meinen Teil konzentriere mich in der Weihnachtszeit allerdings ohnehin lieber aufs Backen. Der Karpfen kann mir, ganz ehrlich, gestohlen bleiben. Zwiebelschneiden sowieso. Lieber backe ich Hausfreunde und Witwenküsse. Da kann man sich auch an den Namen delektieren.

Aufschneiderei mit Obstteller

»Wo steht denn jetzt der aufgeschnittene Obstteller?«, fragt der Kollege, der uns nicht nur täglich dankenswerterweise mit Vitaminen versorgt, sondern die dargebotenen Früchte auch noch fein säuberlich schnipselt. Aber es wird eigentlich das Obst geschnitten, nicht der Teller, wie es seine Frage suggeriert.

Doch wir wollen dem geschenkten Gaul nicht allzu genau ins Maul schauen und sagen lieber: Danke fürs Obst! Man spricht schließlich traditionell auch vom gemischten Warenhändler. Natürlich sind die Waren gemischt, nicht der Händler.

Gemischte Gefühle hat man auch, wenn man – im Ausland – auf einer Speisekarte Folgendes liest: »Heute frisches Huhn – ohne Gräten.« Sollte ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, oder? Wahrscheinlich ist der Fehler bei der Übersetzung entstanden. Das Ergebnis: nicht Fisch, nicht Fleisch. Im Englischen wäre es einfacher. Da gibt es für Knochen und Gräten nur ein Wort: bone.

»Werden die Briten in zehn Jahren zwangsgechippt?«, fragt ein Leserbriefschreiber. Eine interessante Wortprägung. Hühnchen dürfen gerupft, aber können Menschen »gechippt« werden? Mittels Mikrochips überwacht, das ist gemeint.

Kuscheln mit Dehnbund

Unplattbar sind die neuen Reifenmäntel, die wir kürzlich fürs Fahrrad gekauft haben. Wenn ein Platter (nicht der Tiroler Landeshauptmann), ein Patschen also (nicht der Hausschuh), künftig tatsächlich der Vergangenheit angehören sollte, dann wären dies die letzten Mäntel, die wir uns zulegen mussten. Ohnehin hat der Verkäufer im Fahrradfachgeschäft als Alternative zu den verlangten Mänteln auch Regenjacken angeboten.

Oder man gönnt sich einen »Blazer in A-Linien-Form aus gekochter Wolle«. Natürlich nicht fürs Fahrrad (dann schon eher eine Pferdedecke für den Drahtesel), sondern für die eigene Wenigkeit. Aber was, bitte, ist gekochte Wolle? Und wie soll man sich einen »Ringel-Pullover mit Gokart-Ausschnitt« vorstellen? Der Ausverkauf wird’s weisen!

Vielleicht brauchen Sie nach der weihnachtlichen Völlerei und angesichts der Kälte ja auch eine Hose »mit winterwarmem Thermofutter und bequemem D-e-h-n-bund«, wie sie die Firma »walbusch« anbietet. Zugenommen? Schreck, lass nach, Hosenbund, gib nach. Am liebsten möchte man sich ohnehin in ein winterwarmes Thermofell kuscheln und Winterschlaf halten. G-ä-h-n!

Daraus wird leider nichts. In der Realität lockt das »lachende Yoga«, das aus einem Kursprogramm ins Auge springt. Wie kann denn Yoga lachen? Das sollen wohl die Turner tun – ein bisschen viel verlangt, bei gleichzeitiger Anstrengung. Dann schon lieber Beckenbodenschnuppern, wie es unser Turnverein anbietet …

Pelle, Stelle, Hühnerhaut

»1 Stück Palatschinken« wird (werden?) in einem Wiener Gasthaus angeboten. Das ist nicht nur für Anhänger kleiner Portionen erfreulich, sondern auch für Sprachspalter ein gefundenes Fressen. Da die Palatschinke in der Einzahl existiert, könnte man sie – statt der Singular/Plural-Mischkulanz – ja durchaus einzeln auf die Speisekarte setzen: 1 Palatschinke. Das erinnert mich an die Nichte, die früher gerne fragte: »Kann ich ein saures Drops haben?« Oder an die Kollegin, die mich um eine Marlboro lights bat.

»Da stellt sich mir die Gänsehaut auf« – so soll eine österreichische Politikerin die Äußerungen einer Kollegin kommentiert haben. Inhaltlich verständlich – aber sprachlich? Üblicherweise bekommt man eine Gänsehaut, vor Kälte, Angst oder Erregung: Laut Lexikon handelt es sich dabei um das »typische Bild von aufgerichteter Körperbehaarung und kleinen Erhebungen der Hautoberfläche vor allem an Armen und Beinen, das dem Anblick einer gerupften Gans ähnelt«.

Nicht die Gänsehaut stellt sich also auf, sondern die Haare. Wodurch die Gänsehaut ja erst entsteht. In der Schweiz nennt man sie übrigens auch Hühnerhaut, in Dänemark Ameisenbrust. Man stelle sich einmal vor, dass sich Letztere aufstellt …

Nur nicht zu nah kommen! Das denkt sich auch meine Stieftochter bei einer nicht sehr geliebten Schulkollegin – »aber wenn man nett zu ihr ist, dann rückt sie einem gar nicht mehr von der Stelle!« Da stellen sich dann ihr die Haare auf. Obwohl sie das Wort Pelle sichtlich nicht kennt.